Barthold Georg Niebuhr

Johann Heinrich Voß

Brief

Ort: Bonn

Datum: 16.07.1825

Artikelnummer: KKS202400132

Kontext

Eigenhändiger Brief Barthold Georg Niebuhrs an Johann Heinrich Voß

Inhalt

Niebuhr ist nach Bonn gezogen und im Begriff Haus und Garten zu bestellen, er ist begeistert von der Philologie der Universität, erzählt von seinen historischen Vorlesungen, von fremden und eigenen Publikationen und diskutiert politische Entwicklungen.

Maße: Das Blatt misst ca. 25 x 21 cm.

Zustand

Das Schriftbild mit schwarzer Tinte sehr gut lesbar. Der Bogen mehrfach gefalzt, unregelmäßig gebräunt, in den Rändern stärker, fingerknittrig und stockfleckig, in den Rändern teils stark berissen, der rechte Blattrand mit größeren Fehlstellen, weitere winzige Löchlein in der Briefmitte an den Falzkanten, die Kanten und Ecken knickfaltig und bestoßen. Dem Alter entsprechend gut erhalten.

Provenienz

Aus dem Berliner Kunsthandel erworben.

Bonn, den 16ten Juli 1825 das hätten meine Älteren nimmermehr geglaubt wenn ihnen vor vierzig Jahren gewahrsagt wäre daß ich Ihnen von Bonn nach Heidelberg durch meine Schwester schreiben würde, lieber Vater Voß, und auch ich würde es vor noch zwölf Jahren für eine Thorheit gehalten haben. Es ist aber doch besser hier am Rhein zu wohnen als am Sund. Ich hätte Ihnen längst gern Nachrichten gegeben wie es uns ergeht, zumal seitdem ich diese stille Zurückgezogenheit in diesem Winkel gegen andres Ansinnen behauptet, wenn ich nicht gewünscht Ihnen zugleich etwas für unsere gemeinschaftliche Wissenschaft erhebliches zu schreiben oder gar zu senden. Dazu ist es nicht gekommen. Ihres Beyfalls für unseren Entschluß hier zu bleiben bin ich gewiß: aber so Ihrer Theilnahme an der Lebensfreude zu der wir erwacht sind seitdem wir eine sichere Zukunft vor uns sehen, und einen eigenen Garten besizen. diesen zu verschönern ist uns eine liebe Sorge, wie Sie sie uns vor zwey Jahren wünschten – wobey man den bellicosus Cantaber & Scythia völlig vergißt: - und wir sind wach für eine Gelegenheit ein Haus zu erlangen was ebenso erfreulich sey als der Garten. Auch erfreulich sind mir die Vorlesungen welche ich diesen Sommer halte: die Griechische Geschichte seit der Schlacht von Chäronea. Ich habe nicht geglaubt, daß das Licht welches aus dem festgehefteten Ange… ausgeht diese dunkeln Räume so erhellen würde: vieles, woran ich immer verzweifelt hatte, ist aus der Nacht wieder hervorgegangen; und, wenn wenige ein solches Gedächtnis haben werden, daß ihnen, wenn sie Thukydides durchgelesen, beydes das allgemeine Bild und die mannigfaltigen Ein- zelheiten in Erinnerung bleiben, so habe ich, sollte ich denken, das allgemeine Bild dieser ver- gessenen Zeit hergestellt, und nicht ohne Farben. Und diese vergessene Zeit ist auch eine ver- achtete; große und mächtige Männer in ihr der Vergessenheit und Verachtung zu entziehen, hat lebhaften Reiz. Den Winter lese ich römische Alterthümer und vollende den dritten Band meiner… die zweyte Ekdosis der ersten, welche sich, hoffe ich, Ihres Beyfalls erfreuen wird… bey Gelegenheit der Erwähnung einer neuen Ekdosis – hat Dahlmanns Herodot Ihre… ich denke, mit großer Prätension auf Alterthümlichkeit ist er höchst modern gedacht; … andern die Vorstellung von den Ausgaben der großen Schreibenden, wo ihm die klaren… nicht bekannt gewesen welche namentlich Aristoteles und Theophrasts Schriften gewähren, daß… immerfort änderten und hinzufügten: aber so daß sie den Zusaz jedesmal hineinarbeit… verso: Wer ist denn der Hund welcher sich Menzel nennt, und Sie beißen möchte? Mit Ausnahme gar weniger, kann ich Sie versichern, daß die hiesige Philologie Ihnen entschieden huldigt; und wenn man nach dem urtheilen kann wie es bey uns steht, so haben Sie Kreuzern vollkommen abgethan. Mit der Philologie steht es gut bey uns; wir haben viel erfreuliches unter den jungen Männern, und mehr als man hätte möglich glauben sollen, da noch vor zwölf Jahren hier weit und breit nur philologische Barbarey war. Inauguraldissertationen sind ein leidiges nothwendiges Übel; als solches müßen Sie eine aufnehmen welche ich Ihnen in ein paar Monaten senden werde von einem sehr lieben jungen Manne der meinem Marcus in Latein und Mathematik Unterricht gibt. Von diesen Philologen wird hier mehr Licht ausgehen als andere löschen können: ich strebe, sie neben dem grammatischen, was sie hier wirklich vortrefflich haben, auf das historische zu ziehen, ut sit mens sana in corpore sano. Meine Schwester wird Sie für uns befragen ob Sie wissen woher Spargel zu bekommen? und woher feine Obstbäume? namentlich Gravensteiner? Werden die Griechen sich noch retten? Wie viel Werth hat Ihnen Cannings Wohlwollen für den Menschenmischmasch im spanischen Amerika, und seine Indifferenz für die neuen Rhodier und Ägineten. Philologische Entdeckungen haben wir doch stets neue: ein in der ewigen Natur, also in dieser unserer ewigen Wissenschaft. Ich erwarte allerehestens den Commentar des Polychronius zum Daniel mit reichen Auszügen aus Porphyrius: gewiß grade Restauration der seleucidischen Geschichte – und künftiges Jahr erscheinen doch wohl die Eklogen des Porphyrogennetes aus Polybius w.f.w. Meine herzlichen Grüße an Mutter Voß, und freundliche an Schlosser. Ich umarme Sie, und grüße Sie mit aller Liebe und Verehrung. Ihr Niebuhr (Die)ses Jahr können wir nicht zu Ihnen kommen: aber im nächsten müßen Sie zu uns kommen, oder wir zu Ihnen.

Barthold Georg Niebuhr (geboren 1776 in Kopenhagen, gestorben 1831 in Bonn) war ein deutscher Althistoriker und Philologe. Der sprachbegabte Niebuhr studierte an der Universität Kiel, brach das Studium ab und arbeitete zunächst im dänischen Staatsdienst. 1806 ging er nach Berlin, wo er bis 1810 im preußischen Staatsdienst arbeitete, ab 1810 gab er Geschichtsvorlesungen an der neu gegründeteten Universität Berlin. Von 1816 bis 1823 fungierte er als preußischer Gesandter beim Heiligen Stuhl. Im Jahr 1825 wurde er als Professor an die 1818 gegründete Universität Bonn berufen. Seit 1809 war er korrespondierendes Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften, 1822 wurde er in die American Academy of Art and Sciences gewählt, 1827 folgte die Ehrenmitgliedschaft an der Russischen Akademie der Wissenschaften St. Petersburg.

Johann Heinrich Voß (geboren 1751 in Sommersdorf, gestorben 1826 in Heidelberg) war ein deutscher Dichter, Philologe, Übersetzer und Hochschullehrer. Da Voß kein Geld für ein Studium hatte, sandte er 1771 Gedichte an den Göttinger Musenalmanach und lernte so dessen Begründer und Herausgeber Heinrich Christian Boie kennen. Auf Boies Empfehlung begann Voß 1772 ein Theologie- Gräzistik- und Philologiestudium an der Universität in Göttingen. Er war Mitbegründer des ersten deutschen Dichterbundes, dem Göttinger Hainbund. Von 1774 bis 1786 war er Mitglied und Meister der Hamburger Freimaurerloge. 1774 übernahm Voß von Boie die alleinige Redaktion des Museumsalmanachs, den er bis 1800 herausgab. 1777 erfolgte die Heirat mit Ernestine Boie. 1778 arbeitete Voß als Rektor der Lateinschule Otterndorf, ab 1782 als Rektor des Gymnasiums Eutin. Voß reiste in dieser Zeit viel und knüpfte Kontakte zu u.a. Goethe, Gleim, Wieland, und Herder. Bekannte waren außerdem Claudius, Klopstock, W. von Humboldt und F. H. Jacobi. Von 1802 bis 1805 lebte Voß als Privatier in Jena, danach folgte er dem Ruf als Professor an die Universität Heidelberg. 1808 wurde er auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1814 erfolgte die Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften.

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